Das einzige, tatsächlich gentechnisch veränderte Lebensmittel mit Marktreife (USA) ist heute immer noch die "Flavr Savr Tomate". Ein aus einer ähnlichen Tomate gewonnenes und entsprechend gekennzeichnetes Tomatenpüree ist in diesem Frühjahr erfolgreich in England eingeführt worden. Bei den landwirtschaftlichen Nutzpflanzen spielt die Gentechnik eine zunehmend größere Rolle, wenn auch im wesentlichen durch Veränderung agronomischer Qualitäten und weniger durch die Veränderung der Produkte selbst. Mit den in diesem Jahr in den USA für die Lebensmittelherstellung angebauten gentechnisch veränderten Sojasaaten sind jetzt erstmals auch gentechnisch veränderte pflanzliche Rohwaren nach Europa gelangt. Etwa 40 weitere, gentechnisch veränderte Pflanzen werden in den nächsten Jahren folgen. Allein mit Maissorten werden zur Zeit fast 1000 verschiedene Freilandversuche durchgeführt.
Die Gentechnik hat aber nicht erst jetzt, mit Einführung der neuen Sojabohne, sondern schon seit langer Zeit Einzug in die Lebensmittelherstellung gehalten, wenn auch zunächst ohne jeden Einfluß auf die Produkte selbst. So werden bereits seit mehr als 10 Jahren Enzyme aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen, auch die Stammverbesserung von Mikroorganismen, die bei der Lebensmittelherstellung zum Einsatz kommen, kann heute mit gentechnischen Metoden erfolgen, was in England bereits der Fall ist.
Die für die Lebensmittel wichtigsten zukünftigen Anwendungsbereiche der Gentechnik liegen aber wohl im Bereich der Pflanzenzüchtung. An der Entfernung von Allergenen, beim Reis bereits gelungen, an ernährungsphysiologisch wertvolleren Inhaltstoffen, wie etwa dem Fettsäuregehalt, und an verarbeitungstechnisch besser geeigneten Inhaltsstoffen, wie etwa der Stärkezusammensetzung, wird gearbeitet. In ihrer Zusammensetzung entsprechend veränderte Kartoffel- und Rapssorten gibt es bereits; sie stehen auch in Europa kurz vor der Marktreife.
Es steht also außer Zweifel, daß die neuen Lebensmittel eine Reihe interessanter Perspektiven eröffen. Dennoch rufen sie bei den Verbrauchern auch Ängste hervor, und sie könnten eventuell sogar schädlich für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sein. Aus diesem Grunde halte ich die Richtlinie, in der sowohl die Zulassung als auch die Kennzeichnung der neuartigen Nahrungsmittel geregelt wird, für sehr wichtig. Als Apothekerin fällt mir allerdings auf, daß wir uns zum ersten Mal in der Situation befinden, in der Nahrungsmittel wie Medikamente zugelassen werden müssen; eine solche Zulassungspflicht hat es bisher nicht gegeben.
Alle Lebensmittel, die neu auf den Markt kommen, also auch solche, die nicht gentechnisch verändert oder mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen hergestellt sind, fallen nunmehr unter die Verordnung und müssen zugelassen werden. Gäbe es beispielsweise die Kiwi in Europa noch nicht, müßte diese sich diesen Regeln unterziehen und eigens zugelassen werden, bevor sie auf den Markt käme, ähnlich wie ein Arzneimittel. Wo ist die Grenze des Regelungsbedürfnisses? Wird es künftig Lebensmittel bei uns nur noch mit Beipackzettel geben?
Kennzeichnungspflichtig sind nach der neuen Verordnung alle diejenigen Nahrungsmittel, die hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, ihrer Ernährungseigenschaften oder ihres Verwendungs-zweckes mit herkömmlichen Produkten nicht gleichwertig sind. Diese "Nicht-Gleichwertigkeit" muß sich aus einer wissenschaftlichen Bewertung ergeben, wobei Änderungen, die sich im Rahmen der natürlichen Schwankungen bewegen, unberücksichtigt bleiben. Mit dieser Differenzierung wird die Verordnung der Forderung nach Praktikabilität für den Anbieter und für die kontrollierende Lebensmittelüberwachung gerecht, und auch der Verbraucher ist ausreichend geschützt und informiert. Die Kennzeichnung eines bestimmten Umstandes kann nur dann erfolgen, wenn dieser Umstand am Endprodukt tatsächlich nachweisbar ist. Andernfalls müßte sich eine Kennzeichnung im Bereich der Spekulation bewegen, sie müßte sich auf nichtssagende Hinweise wie "könnte enthalten" beschränken. Mit der jetzt gefundenen Regelung wird dem Gebot der Wahrheit und Klarheit entsprochen.
Die europäischen Verbraucherzentren ("Euroguichets") sind ein Netzwerk von Informations- und Beratungseinrichtungen, das die Europäische Kommission gemeinsam mit Trägerorganisationen in den Mitgliedstaaten finanziert. Ziel ist, in jedem Mitgliedsstaat ein oder gegebenenfalls zwei derartige Verbraucherzentren einzurichten. Mit ihren Erfahrungen aus der Informations- und Beratungsarbeit unterstützen die "Euroguichets" auch die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz im Interesse der europäischen Verbraucher.
Derzeit stehen den europäischen Verbrauchern elf dieser Zentren in neun Mitgliedstaaten zur Verfügung. Das zwölfte in Stockholm (Schweden) steht vor seiner Eröffnung, andere sollen im nächsten Jahr folgen.
Aufgabenschwerpunkte der "Euroguichets" sind die