3. Boxberger Jugendforum

Die Grenzen im Kopf aufbrechen

Gedanken zum offenen Jugendtreff und Integration russlanddeutscher Jugendlicher ausgetauscht

"In Boxberg war noch nie etwas einfach". Dr. Renate Heinisch, Initiatorin des 3. Boxberger Jugendforums, sagte diesen Satz, als ihr klar wurde, dass mit dem Abend im Evangelischen Gemeindezentrum die anliegenden Fragen und Probleme noch lange nicht gelöst sind. Lediglich ein kleiner Schritt wurde getan, Meinungen und Gedanken ausgetauscht.

Billiard und Tischtennis spielen und "von den Eltern ausruhen" gab ein junger Mann als Antwort auf die Frage, wo denn die abendlichen Bedürfnisse von Jugendlichen lägen. Die Boxberger Jungen wollen ihre Ruhe ohne sozialpädagogischen Aufpasser. Karten spielen, quatschen, Musik hören. "Wir wollen nur einen trockenen Raum". Aus Ermangelung eines solchen haben sie sich einen Bauwagen im Wald aufgestellt und ihn nach ihren Bedürfnissen ausgestattet. Mit dem Moped fahren sie rüber. Am Freitag Nachmittag stellten sie fest, dass in dem Bauwagen eingebrochen und im Inneren randaliert wurde. Jetzt müssen sie von vorn beginnen.

Alle anderen haben einen Jugendtreff. Im Keller des evangelischen Gemeindehauses hat unter der Ägide des Vereins Diakonische Jugend- und Sozialarbeit vor zweieinhalb Jahren der offene Jugendtreff aufgemacht. Die anderen, das sind die Russlanddeutschen, die Aussiedler. Betreut werden sie von Irene Geiger. Eigentlich ist der Treff, wie der Name schon sagt, offen. Alle können kommen. Nicht nur Kinder und Jugendliche aus der ehemaligen Sowjetunion, die sich in Deutschland einleben und integrieren wollen. Doch sie bleiben unter sich. Die gebürtigen Boxberger kommen nicht.
"Die haben uns nicht rein- oder rausgelassen, es ging immer um Kleinigkeiten", berichtet ein Einheimischer von seinen Erfahrungen mit dem Jugendtreff. Und dann hatte er keine Lust mehr. Ein Mädchen, dass regelmäßig ins Evangelische Gemeindezentrum kommt, weiß dagegen gar nicht, wie es ist, wenn die Boxberger Jugendlichen mit dabei sind. "Die kommen doch gar nicht."

Es scheint, als stünden beide Gruppen, Boxberger und Russlanddeutsche Jugendliche, jeweils auf einer Seite eines Flusses und niemand wagt, das andere, fremde Ufer zu betreten. Die Erwachsenen versuchen zu vermitteln und auf Vorurteile hinzuweisen. Sie ermutigen, einen Schritt aufeinander zuzugehen. Renate Heinisch meinte irgendwann schon resigniert: "Erzwingen kann man nicht, dass etwas gemeinsam gemacht wird." Sie setzt auf kleine Schritte, will weiter versuchen, dass sich alle an einen Tisch setzen.

Claudia Hemmrich war für die Stadt Boxberg da, Pfarrerin Renate Hartwig für die evangelische Kirchengemeinde, Pfarrer Michael Dafferner und Josef Knoblauch für die katholische. Als Vereinsvorsitzender war Norbert Kesel gekommen, Klaus Fischer als Rektor der Grund- und Hauptschule. Außerdem berichtete der Leiter des Jugendamtes, was alles für die Jugend im Kreis getan würde, und Walter Wörrlein, Leiter der Kriminalpolizei, fasste die Erfahrungen der Polizei in Boxberg zusammen. Die Vertreter der Diakonie, deren Leiter Joachim Wenzel sowie Barbara Steffan als zuständige Sozialpädagogin, vertraten neben Irene Geiger ihre Arbeit im Offenen Jugendtreff.

Viel wurde über Konzepte geredet, die erst einmal erstellt werden müssten, bevor es für irgendetwas auch nur eine Pfennig gibt. Den Jugendlichen wurde auf den Weg gegeben, dass sie sich selbst bemühen müssten. Hilfe, einen Weg zu finden, wurden ihnen von Klaus Dörzbacher, Polizist in Boxberg, und Norbert Kesel zugesagt. Auch Claudia Hemmrich von der Stadt will sich erkundigen, inwieweit der Jugendraum beim Bauhof eher den Jugendlichen als dem Audi-VW- Club zustehe.

Auf den Fall soll etwas geschehen, damit die Boxberger Jugendlichen nicht sagen, dass für sie nichts gemacht werde. Auch wenn ihr Eindruck subjektiv ist - schließlich könnten sie zum Jugendtreff, wenn sie wollten - soll im ersten Schritt versucht werden, auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Vielleicht findet sich auch jemand, der beim Jugendamt ein Konzept einreicht und auf dieser Grundlage einen Antrag stellt: Rafting oder Bergsteigen als Gemeinschaftserlebnis hatte Franz Pfisterer angesprochen. Und das wäre doch vielleicht eine interessante Grenzerfahrung für alte und neue Boxberger Jugendliche, um die Grenzen im Kopf aufzubrechen.

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